Muttergefühle - Meine Lieblingsbücher Teil 6

Ich mag keine Ratgeber. Das ist die blanke Wahrheit. Natürlich gibt es auch unter den Ratgebern gute und schlechte. Und, ja, bei manchen Themen (z.B. dem Selfpublishing oder dem Schreiben allgemein) konnte ich auch nützliche Infos für mich rausziehen. Aber, sind wir mal ehrlich: Die meisten Ratgeber beten einem nur die persönliche Sicht des Autors vor und bieten selten Alternativen, wo es eindeutig welche gibt. Am Ende befolgt man – wenn überhaupt – sowieso nur die Dinge, die einem gefallen, pickt sich also die Rosinen raus. Mit am schlimmsten sind Ratgeber für Eltern – die allerschlechteste Rezension, die ich je bei Amazon abgegeben habe, war für ein Buch zum ersten Lebensjahr eines Babys. Gott, war das grottig! Bei Elternratgebern scheint es sich eh nur um so eine Art Glaubenskrieg zu handeln, alles wird schwarz-weiß dargestellt, nur ein Weg ist wirklich richtig, bla bla bla. Es gibt jedoch ein Buch, dass mich gerettet hat, und zwar:


„Muttergefühle. Gesamtausgabe“ (2011) – Rike Drust
ISBN: 978-3-570-10097-4, C. Bertelsmann
Klappentext:
Rike Drust hat ein ehrliches Buch darüber gesucht, was es bedeutet, Mutter zu sein – vergeblich. Deshalb hat sie selbst zum Stift gegriffen und ihre Erfahrungen aufgeschrieben. Um Frauen Mut zu machen, genau die Mutter zu sein, die sie sein wollen und können. Ohne auf die Belehrungen der ach so klugen Ratschläge zu hören, die man allerorts bekommt, wenn man mit rundem Bauch oder Kinderwagen auftaucht.
Erster Satz: „Vor der Geburt meines Sohnes habe ich über meine bevorstehende Mutterschaft ungefähr so viel nachgedacht wie über Fahrstühle und Spannbettlaken.“

In unserer heutigen Gesellschaft haben wir uns zum Glück wegbewegt von einer autoritären Erziehung basierend auf (emotionaler und körperlicher) Gewalt hin zu einem bedürfnisorientierten Ansatz. Wenn Ihr mich fragt, welche Erziehungsgrundsätze ich verfolge, dann antworte ich meist: Gewaltfrei und der Rest … sagen wir es mal so – keine Strategie überlebt die erste Feindberührung. Mit anderen Worten: Wie man mit seinem Kind umgeht, weiß man oft erst dann, wenn man zum ersten Mal ein einer bestimmten Situation steckt. Und nicht selten überrascht man sich dann selbst, und das nicht nur im positiven Sinn. Ich gebe offen und ehrlich zu, dass ich da mit meinem Sohn (2 ½) erst noch den richtigen Weg finden muss.
Natürlich habe ich vor und nach der Schwangerschaft Ratgeber gelesen. Es war auch ganz und gar nicht verkehrt, das Eine oder Andere zu wissen, bevor man, z.B. beim ersten Fieber oder wenn mal zwei Tage lang nix in der Windel ist, gleich in Panik verfällt. Was mir allerdings sehr schnell aufgefallen ist: Die meisten Ratgeber haben mir ein unrealistisches Mutterbild vermittelt. Hätte ich das alles so umgesetzt, würde ich wie eine Sklavin leben, ohne soziale Kontakte, einzig erfüllt von der tiefsten und ehrlichsten Form der Liebe – die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Unerfahren wie ich war als junge Mutter, versuchte ich dieses Rollenbild auszufüllen, hegte Erwartungen und setzte Ziele, die ich niemals erfüllen konnte – und scheiterte kläglich. Wenn man dann in der Ratgeberwelt etwas tiefer gräbt, findet man nur jene, die noch krasser sind, was das „Attached Parenting“ angeht – oder das krasse Gegenteil davon: sarkastische Bücher, die Mütter auffordern, sich dafür zu feiern, eine „Rabenmutter“ zu sein.

Rike Drusts Buch hatte ich mir schon in der Schwangerschaft besorgt und ich hatte auch mal reingelesen, doch freilich konnte ich mit vielem zu diesem Zeitpunkt noch nichts anfangen. Als ich es später – quasi in meiner Verzweiflung – wieder in die Hand nahm, bescherte es mir jedoch einige Aha-Erlebnisse. Am Haken hatte mich Rike Drust mit folgenden Sätzen: „Vor mir lag ein fremdes Wesen, das ich auf Knopfdruck lieb haben sollte, weil Mütter das eben so machen. Aber ich wünsche mir doch auch nicht zehn Monate einen Freund und liebe den Typen, der an der Tür klingelt, gleich wie wahnsinnig, obwohl er mich nur anschreit.“ (S. 20).
Im Prinzip fasst das alles zusammen, was auch ich als Mutter festgestellt habe. Ja, es gibt sie, die Mütter, die ihr Baby zum ersten Mal sehen und sofort verliebt sind. Glückwunsch an alle, denen es so geht! Ich glaube, Ihr werdet es in vielen Situationen einfacher haben, als jene Mütter, bei denen es nicht so ist. Es ist nämlich nicht bei allen so und sollte deshalb auch nicht als die Norm propagiert werden. Wichtig ist: Die Tatsache, dass man sein Kind erst einmal kennenlernen muss, bedeutet um Umkehrschluss nicht, dass man es nicht lieben wird. Die Tatsache, dass man in bestimmten Situationen seine eigenen Bedürfnisse über die des Kindes stellt, bedeutet nicht, dass man sein Kind nicht ernst nimmt und seinen Geist unterdrückt. Die Tatsache, dass man ab und an auch mal richtig genervt ist von seinem Kind (und dies auch kundtut), macht einen nicht gleich zur Rabenmutter. Die Tatsache, dass die ach so guten Ratschläge aus Büchern oder aus dem Umfeld oft rein gar nichts bringen (außer, dass man an sich selbst und seinem Verstand zweifelt), bedeutet nicht, dass ich als Mutter versage.

In der mitunter sehr eintönigen Ratgeberwelt, in der es scheinbar keinen Mittelweg zwischen „Du musst dich komplett aufopfern“ und „Feiere die Tatsache, dass du eine Rabenmutter bist“ gibt, ist Rike Drusts Buch wirklich ein Segen. Zu erkennen, dass man ein Muttertyp ist, der nicht in das rosa-himmelblau-Wölkchen-Schäfchen Mutterbild passt, kann verstörend sein. So ist es unglaublich erleichternd zu erfahren, dass es Anderen genauso geht. Und zu wissen, dass man trotzdem eine gute Mutter, bzw. die richtige Mutter für sein Kind ist, hilft über so manche Krise hinweg.


Weiter zu Teil 7: ein Buch aus einem Land, dem ich mich sehr verbunden fühle.