Der Übergang - Meine Lieblingsbücher Teil 3

Nachdem ich zuletzt mein allererstes Lieblingsbuch vorgestellt habe, möchte ich heute nun auf mein aktuelles Lieblingsbuch eingehen – das Buch, das bereits seit mehreren Jahren unangefochten auf Platz 1 meiner persönlichen Hitliste steht. Seid gewarnt: Dieser Beitrag wird lang und diejenigen, die keine Spoiler vertragen, sollten nach dem zweiten Absatz besser nicht weiter lesen. Tatsächlich kratze ich mit dem, was ich hier preisgeben werde, nur an der Oberfläche der gesamten Geschichte. Und ich kann nicht anders – schließlich ist dieses Buch daran schuld, dass mich viele andere Bücher nicht mehr wirklich mitreißen können, weil es die Messlatte so hoch legt. Es ist das Buch, das mich wesentlich beim Schreiben meiner Bücher beeinflusst hat, nämlich:

„Der Übergang“ – Justin Cronin (2010)
ISBN: 978-3-442-31170-5, Goldmann
Klappentext:
Das Mädchen Amy Harper Bellafonte ist gerade einmal sechs Jahre alt, als sie von zwei FBI-Agenten entführt und auf ein geheimes medizinisches Versuchsgelände verschleppt wird. Man hat lange nach Amy gesucht: der optimalen Versuchsperson für ein mysteriöses Experiment, das nichts Geringeres zum Ziel hat, als Menschen unsterblich zu machen. Doch dann geht irgendetwas schief – völlig schief. Von einem Tag auf den anderen rast die Welt dem Untergang entgegen. Und nur eine kann die Menschheit vielleicht noch retten: Amy Harper Bellafonte.
Erster Satz: „Bevor sie Das Mädchen Von Nirgendwo wurde – das Mädchen, das plötzlich auftauchte, Die Erste Und Letzte Und Einzige, die tausend Jahre lebte –, war sie nur ein kleines Mädchen aus Iowa und hieß Amy.“

Vorneweg zur Info: Der Stoff wird gerade als TV-Serie verfilmt und es gibt bereits einen Trailer für den Pilot. Wer es nicht lesen mag oder wen es nicht stört, sich vor dem Lesen durch Bilder beeinflussen zu lassen, kann hier reinschauen.

An einem Dienstagmorgen im September 2010 fand ich mich in einer Ketten-Buchhandlung im örtlichen Einkaufszentrum wieder. Vor mir lagen zwei Wochen Urlaub, in denen ich nichts weiter vorhatte, als im Liegestuhl im Garten zu lesen. Ich hatte gerade sämtliche Follets und Browns hinter mir und war auf der Suche nach einem Buch, das mich mit spannender Unterhaltung gut beschäftigt. Fantasy, Vampir-Geschichten oder gar Horror-Literatur gehörten nicht zu den Genres, die ich normalerweise las, doch ich war gerade dabei, den gewöhnlichen Standard-Krimi nicht mehr wirklich zu mögen. Die Verkäuferin hatte es nicht leicht mit mir an diesem Tag. Es schien ihr letzter Trumpf im Ärmel zu sein, mir etwas gänzlich Neues zu zeigen. Ein Buch, wie sie sagte, das es so noch nie gegeben habe. Eine Geschichte, die tausend Jahre in die Zukunft reiche. Ein Roman, bei dem man das Genre gar nicht benennen könne. Eine Geschichte, für die bereits die Filmrechte verkauft waren, bevor das Buch fertig geschrieben war. Ihre Zusammenfassung: Es fängt wie ein Agenten-Thriller an, geht dann tausend Jahre in die Zukunft und auch die Vampir-Thematik ist mit dabei. Letzteres erwähnte sie wohl, da zu der Zeit der Twilight-Hype in vollem Gange war. Für ein wenig Ferienlektüre war mir der Wälzer eigentlich zu dick (mehr als 1000 Seiten!), doch ich ließ mich schließlich spontan darauf ein. Warum nicht mal was anderes lesen?

Justin Cronin schafft es von Anfang an Spannung und eine leicht unheimliche Stimmung aufzubauen. Nein, nicht unheimlich, eher wie im Englischen uneasy. Auf der einen Seite werden sämtliche Figuren genauestens eingeführt, auf der anderen Seite lässt uns der Autor bei vielen Dingen im Dunkeln tappen, z.B. weiß man nicht mal in welchem Jahr die Geschichte zu Beginn genau spielt (ein paar Jahre in der Zukunft). Zunächst lernt man die Heldin kennen, Amy, Das Mädchen Von Nirgendwo, und man erfährt, wie es dazu kommt, dass ihre Mutter sie allein in einem Nonnenkloster zurücklässt. Parallel dazu weisen Auszüge aus e-Mails darauf hin, dass eine Gruppe junger Forscher im bolivianischen Dschungel einer Fledermaus-Attacke zum Opfer fällt. Man erfährt vom Projekt NOAH (medizinisch geleitet von einem Überlebenden jener Forscher-Truppe), für dies der FBI Agent Brad Wolgast Todeskandidaten aus sämtlichen Gefängnissen der USA anwirbt. Es ist ein biologisches Experiment und für den Humanversuch sollen Kriminelle herhalten, deren Todesstrafe zu einer lebenslänglichen Haftstrafe umgewandelt wird, wenn sie mitmachen. Der leitende Wissenschaftler Dr. Jonas Lear hofft darauf, mithilfe eines Virus (gewonnen aus den bolivianischen Fledermäusen) Menschen unsterblich zu machen. Das Projekt ist aber auch fest in der Hand des Militärs, dessen Anführer sich erhoffen, Super-Soldaten zu züchten. Als die Versuche an den Todeskandidaten nicht die gewünschte Wirkung zeigen (sie verwandeln sich in leuchtende, blutdurstige Wesen, die gerne kopfüber von der Decke hängen), verlangt Dr. Lear nach einem Kind als Versuchsperson und Wolgast erhält den Auftrag, Amy, die vermutlich niemand vermissen wird, auf das Versuchsgelände zu bringen. Wolgast bekommt jedoch Gewissensbisse und versucht mit Amy zu fliehen, was ihm misslingt, als die militärischen Anführer des Projekts NOAH hart eingreifen. Amy wird auf das Versuchsgelände gebracht und auch ihr wird das Virus in abgeänderter Form verabreicht.

Zu diesem Zeitpunkt hat man als Leser bereits ca. 300 Seiten mit den Figuren verbracht, sie kennen und lieben gelernt. Doch was passiert nun? Die Welt geht unter: Die anderen 12 Probanden, die sich durch das Virus in leuchtende Ungeheuer mit unstillbarem Blutdurst verwandelt haben, brechen aus ihren Zellen aus und töten alles und jeden, der sich ihnen in den Weg stellt. (Hier nimmt das Buch für ein/ zwei Kapitel durchaus Splatter-Charakter an. Es fließt und spritzt sehr viel Blut). Ohne große Vorwarnung sind nun die Figuren, die man ins Herz geschlossen hat, verschwunden, und es fängt praktisch ein völlig neues Buch an. Ich muss zugeben, an diesem Punkt fiel es mir schwer weiterzulesen und einige Leser brechen hier wohl auch ab. Rückwirkend betrachtet ist es vielleicht genau das, was dieses Buch so unvergleichlich macht: Man liebt die Figuren (durch die an mancher Stelle auftretende Langatmigkeit hat man viel Zeit mit ihnen verbracht) und muss nun ihren Tod erst einmal verkraften. Man fühlt regelrecht den Schmerz der untergehenden Welt. Ich war richtig sauer und so wollte auch erst mal keine richtige Sympathie für die neuen Figuren wachsen, die mich als Leser nun bis zum Ende des Buchs begleiten sollten. An dieser Stelle sei allen Lesern unbedingt zum Durchhalten geraten!

Der Zeitsprung bringt uns in das Jahr 94 nach der großen Katastrophe – in eine Kolonie Überlebender im früheren Kalifornien, die nur durch hohe Mauern und Flutlichtscheinwerfer vor den Virals geschützt werden kann. Die Bewohner leben in mittelalterlichen Strukturen und wissen nicht, ob es außer ihnen noch andere Überlebende gibt. Nur Wenigen ist bewusst, dass die Lichter bald für immer ausgehen, da die Akkus sich zersetzen. Wieder verbringt Cronin Seiten um Seiten, um dem Leser alle, wirklich alle, Figuren zu erläutern und deren Geschichten zu erzählen. Nicht alles, was erzählt wird, hat für die spätere Geschichte noch eine Bedeutung und doch hängt alles mit allem zusammen. Es ist etwas mühsam und verwirrend, da auch hier wieder vieles offen gelassen wird. Besonders beindruckend sind die Beschreibungen der Städte und Gebäude, die nun beinahe 100 Jahre ohne Menschen dastehen. Bei einem Routine-Trip vor die Mauern der Kolonie gelangt eine Gruppe junger Menschen in eine alte Shopping-Mall, wo sie von Virals verfolgt werden. Peter, ein junger Mann aus der Gruppe, kann sich im Labyrinth der Mall nur mit der Hilfe eines fremden Mädchens retten, das offensichtlich hier gehaust hatte: Amy. Amy sieht keinen Tag älter als 13 aus, obwohl sie schon 100 Jahre alt ist. Da sie sich allein fühlt, steht sie bald eines Nachts vor den Toren der Kolonie. Ihre Ankunft wird von den Bewohnern sehr unterschiedlich aufgenommen – einigen ist sie unheimlich, doch Peter und seine Freunde stehen zu ihr. Ab hier wird das Buch zu einem mustergültigen Endzeitthriller mit spannenden Szenen, wie sie aus einem Hollywood-Blockbuster kommen könnten. Dazwischen ist natürlich immer wieder Platz und Zeit für Cronins fast schon spirituelle Beschreibungen der Figuren und ihrer Schicksale.
Das Ende bleibt offen – ein absoluter Cliffhanger: „Draußen wird geschossen. Ich gehe mal nachsehen…“.
Doch zum Glück ist das Buch nur der Auftakt einer Trilogie, die fortgeführt wird mit Teil 2 „Die Zwölf“ und Teil 3 „Die Spiegelstadt“. Eine in meinen Augen wirklich gelungene Trilogie. Etwa 7 Jahre, nachdem ich „Der Übergang“ gelesen habe, habe ich den letzen Teil zu Ende gelesen – ich war zufrieden mit dem Ausgang, doch gleichzeitig so traurig, weil es zu Ende war.


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