Mein doppeltes Doppelleben, oder: meine 4 Jobs

Ich habe mir eine Auszeit vom Schreiben, meinem Blog und den sozialen Netzwerken genommen. Das ist nichts Ungewöhnliches – viele tun das, um mal wieder durchzuatmen. Ich habe es dieses Mal allerdings nicht ganz freiwillig getan. Das Bild zeigt es schon: Neben meinem Autorenleben habe ich noch ein anderes – wenn nicht sogar drei weitere.

Wie die meisten Autoren habe ich einen sogenannten Brotjob. Mit diesem verdiene ich meinen Lebensunterhalt bzw. steuere meinen Teil zum gemeinsamen Haushalt bei. Das Geld, das mir mein Arbeitgeber überweist, finanziert mir und meinem Sohn Kleidung, Essen, hin und wieder mal einen Urlaub. Vor allem aber finanziert es derzeit noch mein Dasein als Selfpublisherin. Geht nicht anders. Vom (Bücher-)Schreiben kann man selten (gut) leben.
In meinem Brotjob arbeite ich bei einer großen Mediaagentur. Wir sind – kurz gesagt – diejenigen, die daran schuld sind, dass Autos so teuer sind und, dass Kinder immer fetter werden. So oder so ähnlich sehen uns viele Leute. Wenn jemand hört, das ich „was mit Medien“ mache, denkt er/sie oft, dass ich viel Zeit mit Berühmtheiten verbringe oder ständig von Fernsehsendern, Zeitschriftenverlagen usw. zu coolen Events eingeladen werde. Na ja, die Realität sieht irgendwie anders aus.
Ich arbeite fast nur mit Zahlen: statistische Zielgruppenauswertungen und andere Marktforschungsdaten, Budgets, Agenturrabatte, Honorare, Spotlängen, Bannerabmessungen, Clickraten, Reichweiten, GRPs, ... Aktuell ist sehr viel zu tun. Ich schiebe gerade ziemlich viel Geld hin und her (fiktiv), überlege mir, wieviel Geld wir für das Platzieren von TV-Werbung brauchen, sinniere über Snackautomaten und recherchiere zu Open-Air-Kinos. Hin und wieder will ein Kunde etwas wissen, z.B. wieviel es kostet ein Flugzeug zu branden oder eine riesige Uhr am Gare d'Lyon in Paris zu installieren. Der Nächste will, dass ich ihm mehr Besucher auf seine Website zaubere. Nebenbei gehe ich Kollegen in über 20 Ländern auf die Nerven, weil ich ständig was von ihnen haben oder wissen will.
Mit all diesen Sachen verbringe ich 20 (naja, aktuell sind es eigentlich 25) Stunden die Woche.

Einige von Euch denken jetzt vielleicht „Ah, die arbeitet Teilzeit. Kann es sich leisten, weil der Mann voll arbeitet. Und hat somit mehr Zeit zum Schreiben“. Nope. Ich arbeite Teilzeit, – übrigens, genau wie man Mann auch – weil wir einen kleinen Sohn (2) haben. Der geht zwar Montags bis Donnerstags in eine Betreuung (zur Tagesmutter), doch wenn ich von der Arbeit komme und im Haushalt das Nötigste erledigt habe, ist Mama-Kind-Zeit. Ich gebe offen zu, dass ich hin und wieder in meinen Twitter-Account schaue, wenn ich eigentlich meinem Sohn die volle Aufmerksamkeit widmen sollte. Wer tut das nicht? Aber Schreiben und Netzwerken geht dann halt nicht. Und wenn der Sohnemann so wie vorletzte Woche krank ist? Und im Brotjob die Flexibilität fehlt? Ratet mal, was als erstes hinten runterfällt – genau, die Autorentätigkeit. So isses eben.

Vielleicht zeigt das, dass ich es nötig habe, mir selbst auf die Schulter zu klopfen. Dafür, wie gut ich den Spagat zwischen zwei Teilzeit-Jobs und der Kindererziehung meistere. Allerdings: Erstens, meistere ich hier gar nichts, sondern improvisiere ständig. Und zweitens, ob's funktioniert werde ich erst in ein paar Jahren erfahren. Der Brotjob bleibt mir wahrscheinlich erhalten – mit einem Grad der Behinderung von 50 (unbefristet) bin ich praktisch unkündbar.
Ja, Ihr habt richtig gelesen: Ich habe einen Behindertenausweis. Ich habe Diabetes Typ 1 (knapp erklärt: der Typ, der angeboren ist). Wahr ist: Ohne Insulin sterbe ich einen langsamen und grausamen Tod. Wahr ist auch: Es lässt sich ganz gut damit leben. Mit der richtigen Einstellung und passendem Selbstmanagement läuft es im Großen und Ganzen wirklich gut. Die Sache ist halt, dass das auch alles Zeit in Anspruch nimmt. Zeit, die mir – wieder einmal – beim Schreiben fehlt. Daneben sind Depressionen und Angstzustände, die Diabetiker hin und wieder begleiten, auch nicht gerade förderlich. Und – ehrlich gesagt – hier lief es auch schon mal besser, was die Blutzuckerwerte angeht. Muss ich also mal wieder ran.


Aber, Schluss jetzt mit „mimimi“! Bei meinem aktuellen Roman-Projekt (Projektname „Lola“) klettert die Anzahl der Worte langsam aber stetig weiter nach oben. Also, meistere ich meine vier Jobs (Familie, Brotjob, Diabetesmanagement, Schriftstellerei) wohl doch irgendwie. Na ja, ein bisschen wenigstens.
Lasst Euch von niemandem sagen, was Ihr könnt und was Ihr nicht könnt. Plant es und tut es dann auch.