Genre vs Positionierung - Von „neuen“ Erwachsenen und was sie lesen (sollen)

Die Diskussion ist nicht neu und vor allem unter Autoren immer wieder hitzig und spannend: Die Genre-Diskussion. Während sich kreative Menschen (ja, dazu zählen Autoren) ungern in Schubladen stecken lassen, fordern Buchhändler und Verlage eine klare Abgrenzung des Genres. Ich habe hierzu zwei Meinungen.

Die Autorin in mir denkt sich: Scheiß drauf! Würde man nur noch Geschichten nach Schema F schreiben, wäre der Buchmarkt irgendwann ziemlich langweilig und in Teilen ist er das auch bereits. So gerne ich Krimis lese - irgendwann ist es einfach immer das Gleiche. Das wissen viele Krimi-Autoren und lassen andere Elemente mit einfließen, z.B. Humor, regional-spezifische Gegebenheiten, Fantasy-Elemente, etc.
Es gibt eine Redewendung unter Autoren: Das Buch, das du lesen willst, gibt es nicht? - Schreib es selbst! Das finde ich großartig und ist bei vielen auch tatsächlich der Grund, weshalb sie überhaupt schreiben. Und genauso finden neue Ideen den Weg auf den Buchmarkt und begründen manchmal völlig neue (Sub-)Genres.

Die Marketingexpertin in mir denkt sich: Das Genre verkauft das Buch, basta! Wenn es um Marketing und Kommunikation geht, reden wir immer von theoretischen Konstrukten und Modellen, die uns helfen, Produkte und deren Zielgruppen einzuordnen. Das ist notwendig und nicht zu vermeiden. Auch, wenn es viele Leser gibt, die kein bestimmtes Genre bevorzugen - die meisten wissen zumindest, was sie nicht lesen wollen. Wenn ich Pizza Salami bestelle, weil ich keine Pilze mag und dann sind Pilze drauf, ärgere ich mich. Auf jeden Fall muss aber vorher die Pizza Salami erst mal als solche benannt werden, womit wir wieder bei der Einordnung wären. (Das war jetzt ziemlich viel Pizza - liegt wohl daran, dass ich Hunger habe.) Für Lebensmittel ist das alles noch relativ einfach (oh, wenn ihr nur wüsstet, wie kompliziert vor allem das Marketing für Lebensmittel ist!).

Ja, Marketing ist nicht so einfach. Das zeigt ganz besonders die Genre-Diskussion, denn hier werden immer wieder Begriffe durcheinander gewirbelt. Und - nehmt es mir nicht übel - manchmal zeigt sich hier auch, dass nicht jeder weiß, was er da redet, wenn es um Genres und Zielgruppen geht.
Bestes Beispiel: Young Adult oder New Adult - Bücher für junge Erwachsene bzw. neueErwachsene. Hierbei soll es sich um zwei unterschiedliche Sub-Genres handeln. Young Adult-Geschichten behandeln Themen, die Jugendliche beschäftigen. Es geht z.B. um die erste Liebe, die Highschool, etc. - typische Teenager-Themen eben. New Adult-Geschichten handeln von Themenfeldern, die auf die Schule folgen: College, Arbeit, etc. - insgesamt erwachsener, was die Darstellung von Gewalt und vor allem Sex angeht.
Folgende Artikel versuchen sich jeweils an einer Abgrenzung:
Von Adriana Popescu (Autorin): http://adriana-popescu.de/2017/11/young-adult-new-adult-oder-einfach-jugendbuch/
Holly West (Redakteurin auf swoonreads.com): https://www.swoonreads.com/blog/ask-an-editor-young-adult-vs-new-adult/

Das Problem wird sehr schnell deutlich, wenn man sich z.B. mal die sehr erfolgreiche „Panem“-Serie von Suzanne Collins anschaut. Sie gilt als Parade-Beispiel für Young Adult. Allerdings: Mal abgesehen davon, dass die Protagonistin siebzehn Jahre alt ist und ihr Interesse für Jungs entdeckt (erste Liebe), birgt die Geschichte kaum typische Teenager-Themen. Die Darstellung von Gewalt ist sogar sehr explizit. (Vergesst die Filme, die Bücher sind viel grausamer!). Komplizierter wird es bei der Harry Potter"-Reihe. Die ersten zwei Bände sind klassische Kinder-/Jugendbücher, spätere Teile sind eher Young Adult, der letzte Teil könnte sogar schon New Adult sein. Und doch handelt es sich hier eigentlich um eine Geschichte. Es gibt weitere Beispiele, doch am Ende wird klar: Es ist praktisch unmöglich Young Adult und New Adult immer ganz klar von einander abzugrenzen. Doch warum ist das so schwer?

Krimi, Thriller, Fantasy, Sci-Fi, Liebesroman: Das sind Genres - klar umrissen, jeder weiß, was gemeint ist. Unter Young Adult z.B. kann sich aber ein Krimi ebenso verbergen wie eine Liebesgeschichte. Oder wie im Fall der „Panem“-Serie, eine Dystopie. Gleiches gilt für New Adult. Merkt ihr was? - Genau: Young Adults und New Adults sind eigentlich gar keine Genres, sondern Zielgruppen. Es handelt sich um junge Leute, ca. 14-29 Jahre alt (im Kern), doch was unterscheidet sie?

In meinen Augen sind es weniger die Themen, für die sie sich (angeblich) interessieren, als viel mehr eine Frage des Mindsets, der persönlichen Reife und Entwicklung. Eine Sechzehnjährige kann z.B. noch komplett in der Girlie-Welt von pinken Einhörnern und Justin Bieber-Postern stecken und sich beim Lesen von Geschichten, die von erster Liebe handeln, in eine rosarote Welt träumen. Oder sie kann ältere Jungs daten, Musikfestivals besuchen und auf Thriller der härteren Art stehen. Oder sogar beides. Das Tolle am Erwachsenwerden ist ja, dass jeder das in seinem eigenen Tempo macht. Und das Tolle an Büchern ist, dass jeder sich selbst raussuchen kann, was er lesen will.

Für Autoren heißt das, bei der Genre-Diskussion aufzupassen. Mit der Ausnahme von Kinder-/Jugendbüchern, definiert sich das Genre weder aus der Zielgruppe, für die ihr schreibt, noch aus dem Alter eurer Protagonisten. Das Genre definiert sich aus dem Inhalt, aus dem, was passiert. Ganz nach dem beliebten Motto „Show, don't tell“: Zeigt euren potenziellen Lesern, was sie erwartet. Zeigt ihnen, was eure Romane sind (z.B. Thriller, Fantasy, Dystopie, etc.) und nicht für wen sie sind/ sein sollen.
Mit anderen Worten: Verwechselt nicht Genre mit Positionierung.