Alles nur in meinem Kopf ...

Mir gehen aktuell so viele Sachen durch den Kopf und sie wiederholen sich wie ein Ohrwurm (oh, welch schönes Wort!). Vorsicht: Dieser Post wird lang ...

Was mich am meisten umtreibt, ist die Tatsache, dass "Teufelswetter" im Dezember erscheinen soll. Ja, genau - bald ist es so weit. Das Testleser-Feedback ist da, die Änderungen von der Lektorin sind integriert, die Überarbeitung ist abgeschlossen, das Layout/ Buchblock ist angestoßen, der Taschenbuch-Umschlag gebrieft. Und ich muss Euch einfach - weil ich so stolz bin - mitteilen, dass der Roman einen Umfang von 99.672 Wörtern und 376 Taschenbuchseiten hat. BÄM!!!
Dass ich es so nötig habe, mir selbst auf die Schulter zu klopfen, zeigt vielleicht, dass ich noch so ungefähr 1000 Dinge erledigen muss. Alles Dinge, die den Erscheinungstermin, den ich im Kopf hatte, leider (wieder einmal) nach hinten schieben. Eigentlich wollte ich nicht kurz vor Weihnachten veröffentlichen, aber die Wahrheit ist: Auch als Selfpublisher habe ich das nicht wirklich in der Hand, sobald das Manuskript erst mal hochgeladen ist. Leider wahr.

Aber auch sonst kreisen meine Gedanken um allerlei Dinge, angeregt durch die Diskussion mit anderen Autoren und Bloggern.
Zum Beispiel das Thema Cultural Appropriation, welches die Bücherkrähe auf ihrem Blog näher beleuchtet hat (Danke dafür!). Mich hat das einmal mehr zum Nachdenken angeregt - vor allem die Tatsache, dass in Filmen oft weiße Darsteller eingesetzt werden, obwohl die Figuren gar nicht weiß sind. Besonders aufgefallen ist mir das bei der Verfilmung von "Der Marsianer" - hier wurden sämtliche asiatische Figuren mit Weißen (bzw. ein indischer Charakter mit einem Afrikaner) besetzt. Natürlich erwähnt der Autor Andy Weir die Rassen nicht in seinem Roman, doch es wird durch deren Namen ziemlich deutlich. Das hat mich zum Grübeln gebracht.
Zum Beispiel: Beim Schreiben einer der Figuren in "Teufelswetter" (Chief Jason Lennox) hatte ich einen Schwarzen im Kopf. Ich erwähne dies allerdings nicht explizit im Roman - die Erwähnung der Hautfarbe in einer Figurenbeschreibung finde ich eh grenzwertig, vor allem dann, wenn es für die Geschichte unerheblich ist. Aber meine Leser werden vielleicht nicht automatisch einen Schwarzen vor ihrem inneren Auge sehen, wenn sie Jason Lennox im Roman begegnen. Wie ließe sich das (politisch korrekt) lösen?
Es geht übrigens auch andersherum: Die Passage-Trilogie von Justin Cronin wird derzeit als TV-Serie verfilmt (bzw. der Pilotfilm). Sie haben die junge schwarze Schauspielerin Saniyya Sidney für die Rolle der Amy gecastet - was ich übrigens für eine sehr gelungene Besetzung halte. Trotzdem: Im Roman ist Amy eindeutig weiß. Hier zeigt sich wohl das Problem, das die Amerikaner immer noch mit gemischtrassigen Liebesbeziehungen in Film und TV haben. Amy wird später nämlich - Achtung Spoiler -  eine Beziehung zu Peter (schwarz, bzw. gemischtrassig) eingehen. Damit, so glauben die Produzenten, kommt die amerikanische Öffentlichkeit nicht klar - mit der Ausnahme, dass die Beziehung einer Weißen mit einem Schwarzen das Hauptthema ist (z.B. wie in "Save The Last Dance"). Das ist im Falle von "The Passage" besonders schade, denn Cronin hat eine post-apokalyptische Welt erschaffen, in denen menschliche Rassen keine Rolle mehr spielen (alle sind vermischt). Wäre schön gewesen, genau dies im Film zum Leben zu erwecken, finde ich.

Eine weitere Diskussion, die vorrangig in meinem Kopf stattfindet, dreht sich um Schreibratgeber. Ja, auch ich habe den einen oder anderen gelesen, bzw. lese regelmäßig Schreibtipps von anderen Autoren und Bloggern online. Das gebührt schon allein der Berufsethos. Aber wie mit so vielen Dingen im Leben, sind manche Regeln strenger auszulegen als andere. Klar, wenn mich nicht an die Mindestkriterien halte - wie z.B. Plotstruktur, Spannungsverläufe und Vorgaben der äußeren Form - dann wird niemand meinen Roman lesen (wollen). Aber einige Kriterien haben sich im Laufe der Zeit auch verändert.
Konkretes Beispiel: Ich habe kürzlich den Thriller "Shibumi" von Trevanian gelesen. Dieser ist zum ersten Mal 1979 erschienen und wurde von Kritikern hochgelobt. Der Thriller war so erfolgreich, dass Autor Don Winslow 2011 ein Prequal dazu geschrieben hat, als Hommage an den gefeierten Trevanian. "Shibumi" hat den stolzen Umfang von 573 Seiten und ist wirklich sehr spannend, obwohl er für einen Thriller eine immense Zeitspanne umfasst. Erzählerisch hat sich Trevanian allerdings einige Dinge erlaubt, die laut den heutigen Schreibratgebern absolute No-Gos wären.
Die Geschichte beginnt rasant - mit Schießerei und Blutvergießen auf einem Flughafen. Darauf folgt seitenweise die Erklärung wie ein spezielles Team des US-Geheimdienstes arbeitet (inkl. der genutzten Technologie bis hin zum Fitnessraum mit UV-Licht). Das ist lang, tut aber der Spannung eigentlich keinen Abbruch. Bis die Hauptfigur in Aktion tritt, dauert es aber sehr lange. Und ich meine seeeehhhr lange. Über 200 Seiten lang erzählt Trevanian die Geschichte seiner Hauptfigur - seiner Kindheit, seine Flucht nach Japan, seine Gefangenschaft - bis wir endlich im Heute angekommen sind. Doch statt zu erfahren, was der Held nun tut, um sich den entstandenen Widrigkeiten zu stellen, folgen ca. 70 Seiten mit einer Erzählung über Höhlenforschung - wie der Held und sein Kumpel die weitere Erkundung einer von ihnen entdeckten Höhle vorbereiten und durchziehen. Vielleicht ist das wichtig, um den Charakter zu verstehen, doch worauf ich hinaus will: Thriller sind heute oft schneller, mit mehr Tempo und knackiger geschrieben. Vergleichen kann man das - wie so oft - mit Filmen: Schnelle Schnitte, dynamische Bilder (möglich geworden durch moderne Steadycams) sind heute Standard bei Actionfilmen und Thriller.
Einige der Schreibratgeber, die man heutzutage so liest, bzw. online findet, basieren zum Teil auf eben solchen Mode-Erscheinungen. Sie sind entweder veraltet und spiegeln nicht die aktuelle Schreibkultur wieder. Oder sie verkaufen die aktuell allgemein akzeptierten Regeln als die einzige Wahrheit. "Shibumi" von Trevanian ist nicht plötzlich schlecht, bloß weil es heutigen Kriterien für einen "guten" Thriller vielleicht nicht standhalten würde. Don Winslows "Tage der Toten" ist ein verdammt guter Roman, obwohl der Autor wie ein Irrer innerhalb ganzer Szenen ständig zwischen verschiedenen Erzählperspektiven wechselt (vergleichbar mit den heute üblichen schnellen Schnitten beim Film).  

So, das war nun wirklich genug Einblick in meinen Kopf. Und nochmals sorry, dass ich mich nicht kürzer fassen konnte (Autorenkrankheit, nehme ich an). Ich mach  mich dann mal wieder ans Layouten von "Teufelswetter" ...